Newsletter TRANSFERkompakt April 2023

Thema: Die kulturelle Bildungslandschaft abbilden.

Bereits seit über einem Jahrzehnt erfassen viele Kommunen in Deutschland ihre Bildungslandschaft vor Ort in Zahlen, um so objektive Entscheidungen in der kommunalen Bildungspolitik zu fördern. Mit der im letzten Jahr veröffentlichten Förderrichtlinie des BMBF „Bildungskommunen“ wird nun auch die thematische Schwerpunktsetzung im Bildungsmonitoring fokussiert und dazu angeregt, spezifische Bildungsthemen genauer in den Blick zu nehmen. Einer dieser Schwerpunkte ist die kulturelle Bildung – und das aus gutem Grund. Denn das Feld der kulturellen Bildung bietet großes Potenzial zur aktiven Gestaltung der kommunalen Bildungslandschaft. Für das Monitoring aber ergeben sich neue Herausforderungen. Denn was zählt überhaupt als kulturelles Bildungsangebot? Und woher können die Daten, die zum großen Teil nicht in amtlichen Statistiken vorhanden sind, generiert werden? Der Beitrag bietet ein Definitionsangebot für kulturelle Bildung, greift die Kennzahlen des Konsortiums Bildungsmonitoring zu dem Schwerpunktthema auf und liefert zudem Impulse für vertiefende Analysen. Wie Kommunen sich selbst der umfassenden Abbildung der kulturellen Bildungslandschaft schrittweise annähern können, sehen Sie in unserer Arbeitshilfe „Wie praktisch“.

Wozu kulturelle Bildung?

2014 konnte eine Studie zeigen, dass Musizieren den Bildungserfolg von Jugendlichen fördert. Im Detail zeigte die Analyse: Jugendliche, die schon in jungen Jahren Musikstunden hatten, haben bessere Schulnoten als andere. Besonders Jugendlichen aus bildungsfernen Familien kommt der Musikunterricht zugute. Im Vergleich zu ihren Altersgenossen aus ähnlichen Herkunftsfamilien, ohne Musikunterricht, können sie im Durchschnitt wesentlich bessere Schulnoten vorweisen (vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. 2014). Wenn nun eine Kommune die Chancengerechtigkeit vor Ort fördern möchte, dann ist demnach die kulturelle Bildung ein möglicher Handlungsansatz. Dabei bietet das Feld großes Potenzial auf kommunaler Ebene, denn Kulturförderung ist seit jeher ein wichtiges Anliegen vieler Kommunen.

Was ist kulturelle Bildung?

Aber was genau ist eigentlich kulturelle Bildung? Welche Bildungsangebote in der Kommune zählen dazu? Dafür können verschiedene Definitionen herangezogen werden, die jeweils einzelne Aspekte hervorheben. Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V. spricht von kultureller Bildung als „Persönlichkeitsbildung mit kulturellen Ausdrucksformen, mit Künsten und im Spiel. Sie ist Voraussetzung für kulturelle Teilhabe. Sie ist Allgemeinbildung, weil sie Kinder und Jugendliche dazu befähigt, sich mit Spiel, Kunst und Kultur zu sich selbst und zur Welt zu verhalten“ (BKJ o.A.). Die Definition zeigt, wie weit das Feld der kulturellen Bildung ist.

Ausgehend von diesem ganzheitlichen Blick auf kulturelle Bildung analysierte das Deutsche Jugendinstitut (DJI) die kulturellen Bildungslandschaften zweier Kommunen im Rahmen des Forschungsprojektes „KUMULUS – Kulturell-musische Bildung für Jugendliche des ländlichen Raums“ von 2019 bis 2023. Den Begriff der Kultur beziehen die Forschenden dabei explizit nicht nur auf institutionalisierte Angebote und Formate der sogenannten Hochkultur, sondern sie schließen ausdrücklich die Sozio- und Breitenkultur ein und nehmen darüber hinaus auch informelle und von Jugendlichen selbst initiierte kulturelle Alltagspraktiken in den Blick (vgl. DJI o.A.). Die Erhebungen bilden Momentaufnahmen der kulturellen Angebotslandschaft der beiden Modellregionen ab und die Ergebnisse wurden in zwei Publikationen anschaulich dargestellt: Atlas der kulturellen Bildung für den Altmarkkreis Salzwedel und Atlas der kulturellen Bildung für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.

Kultur ist Bildung – Bildung ist Kultur

Nun ist eine umfassende Recherche und Analyse der kulturellen Angebotslandschaft, wie im Projekt KUMULUS, ein enormer Zeitaufwand, der im Rahmen des kommunalen Bildungsmonitorings nicht ohne entsprechende (Personal-)Ressource umgesetzt werden kann. Im ersten Schritt zur Abbildung der kulturellen Bildungslandschaft können daher zunächst allgemeingültige Daten zur kulturellen Bildung auf kommunaler Ebene herangezogen werden. Hierfür hat das Konsortium Bildungsmonitoring in dem 2020 überarbeiteten Anwendungsleitfaden für den Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings eine Reihe von Kennzahlen in den verschiedenen Bildungsbereichen des lebenslangen Lernens zusammengeführt (siehe Tabelle). Diese Daten liefern einen ersten Einblick und vor allem eine Grundlage, um mit kommunalen Entscheidungsträger:innen über die kulturelle Bildung ins Gespräch zu kommen und zu beschließen, welcher Bereich durch eine vertiefende Analyse erforscht werden soll. Nähere Informationen zu den einzelnen Kennzahlen, unter anderem zu den Datenquellen, liefert der Anwendungsleitfaden auch.

Bildungserfolg durch kulturelle Bildung

Bezugnehmend auf das eingangs beschriebene Potenzial, das die musische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen für den Bildungserfolg und die Verbesserung von Bildungschancen bietet, stellen zum Beispiel die Kennzahlen D10.2, H5.5 und H7.6 interessante Informationen zur Verfügung. So kann die Kennzahl zur „Belegung von musischen und künstlerischen Fächern je Schüler/-in in der gymnasialen Oberstufe an allgemeinbildenden Schulen“ abbilden, welche Bedeutung einerseits die Schulpolitik und andererseits die Schüler:innen den künstlerischen und musischen Fächern in den letzten beiden Jahrgangsstufen der gymnasialen Oberstufe beimessen. Die „Öffentliche Förderung von Musikschulen und Musikpflege je Einwohner/-in“ gibt zudem Hinweise auf den Stellenwert musikalischer Bildung in der Kommune und die Anzahl der „Teilnehmenden an Kursen an öffentlichen und privaten Musikschulen je Einwohner/-in“ dient – besonders in altersspezifischer Betrachtung von Kindern und Jugendlichen im Schulalter – zur Abschätzung des Potenzials für entsprechende Kooperationen von allgemeinbildenden Schulen und Musikschulen. Diese Kooperationen sind ganz aktuell auch vor dem Hintergrund des Ausbaus der ganztägigen Bildung und Betreuung erstrebenswert (vgl. Programmstelle Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt 2020, S. 112 ff.).

In Niedersachsen haben bereits mehrere Städte und Landkreise die kulturelle Bildung als Teil der kommunalen Bildungslandschaft im Bildungsbericht sichtbar gemacht, unter anderem der Landkreis Emsland im 4. Regionalen Bildungsbericht 2021 mit einer Übersicht der verschiedenen Kultureinrichtungen oder der Landkreis Harburg im 1. Bildungsbericht 2021 mit der Analyse der bewilligten Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket, um nur einige zu nennen.

Handlungsleitendes Wissen generieren

Während die oben abgebildeten Kennzahlen einen ersten Überblick zur Situation der kulturellen Bildungslandschaft vor Ort verschaffen können, so liefern sie aber keine vertiefenden Erkenntnisse – weder zu den Bedarfen der Bildungs- und Kulturakteur:innen, noch zu den Bedarfen der Kinder und Jugendlichen. Um im zweiten Schritt handlungsleitendes Wissen zu generieren, bedarf es einer eigenen Erhebung im Rahmen des kommunalen Bildungsmonitorings. Diese sollte sich an den Standards der quantitativen oder qualitativen Sozialforschung orientieren und ihr sollte eine klare Fragestellung vorausgehen. Diese Fragestellung gilt es in einem gemeinsamen Diskurs mit den kommunalen Entscheidungsträger:innen und den Bildungsakteur:innen vor Ort zu schärfen, um anschließend gezielte Informationen zur Verfügung stellen zu können, die im kommunalen Handlungsbereich relevant sind. Mögliche Ansätze für vertiefende Analysen im Bereich der kulturellen Bildung sind zum Beispiel:

Wissen und Handeln: Eigene Erhebungen zu kulturellen Bildungsangeboten

Aber wie groß ist denn eigentlich der kommunale Handlungsspielraum zur Förderung der kulturellen Bildung? Wie sollten die Kommunen mit ohnehin schon knappen Kassen den Ausbau der kulturellen Bildungsangebote finanzieren? Nicht immer ist ein möglichst umfassender und damit teurer Ausbau überhaupt zielführend. Wie schon die oben genannten Ansätze für vertiefende Analysen aufzeigen, ermöglichen die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen des Bildungsmonitorings vielmehr die Entwicklung bedarfsgerechter Maßnahmen auf kommunaler Ebene, die von

  • der systematischen Vernetzung schulischer und kultureller Akteur:innen
  • über die Vereinfachung der Verfahren zur Beantragung der BuT-Mittel
  • bis hin zur Transparenzsteigerung vorhandener Angebote und Unterstützungsleistungen in einem Sozialraum reichen können.

Fazit

Die Abbildung der kulturellen Bildungslandschaft, vor allem aber das Generieren von handlungsleitendem Wissen, bedarf einer engen Abstimmung von Bildungsmonitorer:innen und weiteren Akteur:innen der kommunalen Bildungslandschaft. Eine erste Übersicht, die sich mithilfe der Kennzahlen des Anwendungsleitfadens erstellen lässt, kann als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen dienen und zu einem Auftrag für eine vertiefende Analyse führen. Im Rahmen einer solchen Analyse kann zum Beispiel die (Nicht-)Teilhabe benachteiligter Kinder und Jugendlicher an kulturellen Angeboten untersucht werden, um gezielte Informationen zur Förderung der Chancengerechtigkeit im Feld der kulturellen Bildung zu erhalten. Dabei sollte die Fragestellung für die eigene Erhebung klar und deutlich formuliert sein. Nur so können die Daten liefern, was sie versprechen: Erkenntnisse zur Ableitung von bedarfsgerechten Handlungsmaßnahmen.

Autorin: Maria Leuschner, Transfermanagement, Transferagentur Niedersachsen